Achtsamkeit in der Schule

Achtsamkeit auf der Titelseite, Achtsamkeit als Megatrend, Achtsamkeit als Marketingfaktor, Achtsamkeit als Ersatzreligion, Achtsamkeit als echte Chance?

Es gibt meterweise Bücher über Achtsamkeit und täglich werden es mehr! Kein Wunder, wo doch Stress und Burn-out in weiten Teilen der Gesellschaft angekommen ist. Bedenkt man, dass die WHO Stress und seine Folgen als die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts ansieht, ist es nur verständlich, dass Menschen nach einem Weg aus dem „Hamsterrad“ suchen. Auch die Krankenkassen haben bereits entdeckt, dass es sich auszahlt, in Prävention zu investieren und fördern diverse Achtsamkeitskurse. Und das ist gut so. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass Achtsamkeitspraktiken durchaus wirkmächtige Wege aus der Stressfalle sind.

Leider sind nicht nur die Erwachsenen von Stress betroffen. Die oftmals in den Medien kolportierte Zahl, dass bis zu 25 % der 10- bis 18-jährigen SchülerInnen psychische Problematiken aufweisen, macht betroffen. Nicht nur die individuellen Probleme der SchülerInnen, wie z.B. familiäre Konflikte, Leistungsdruck, Schlafstörungen, Pubertätskrisen sind bedrückend, auch der raue Ton, die Aggressionsbereitschaft, Mobbing und Gewalt beschäftigen alle am Schulgeschehen Beteiligte. Immer mehr Schulen in den USA, Deutschland, Großbritannien und auch Österreich versuchen, diesen Entwicklungen entgegenzutreten und bieten Achtsamkeitstraining und Meditation an. Wie Studien nachweislich belegen konnten, braucht es nur wenige Minuten Zeit und SchülerInnen lernen dadurch Emotionsregulation, Impulskontrolle, Stressmanagement, Selbstmitgefühl und Empathie. Kindern und Jugendlichen die Haltung der Achtsamkeit näherzubringen verbindet individuelle und soziale Bedürfnisse und schafft ein Klima, von dem alle profitieren und daher ist es erstrebenswert, dass wir auch in Österreich „Achtsamkeitstraining in der Schule zu installieren.

Achtsamkeit mag ein Modewort sein, doch es steht auch für das Bedürfnis der Menschen nach Veränderung des auf Konsum ausgerichteten Lebensstils. Wir sind im postmateriellen Zeitalter angekommen, d.h. die Prophezeiungen des Club of Rome bzgl. der Grenzen des Wachstums sind nun wirklich sehr sichtbar. Wohin soll die Wirtschaft noch wachsen angesichts limitierter Ressourcen und riesiger Abfallberge? Eine Sehnsucht nach immateriellem Wachstum tut sich auf, nach Werten, nach einem neuen, friedlichen Lebensstil, der lokal und global verträglich ist. Vom Haben zum Sein, sozusagen.

Die große Chance der Achtsamkeitsbewegung liegt darin, dass sie als säkulare Bewegung verstanden werden kann, die unabhängig von Religionsbekenntnissen und Weltanschauungen Menschen zu mehr Selbsterkenntnis und Selbstfürsorge führt. Doch Achtsamkeit ist zu kurz gedacht, wenn sie nur intrapsychisch stattfindet. Nicht zuletzt geht es auch darum, Mitgefühl zu kultivieren, das sich auf andere Menschen, auf die Natur und auf die leidenden Tiere ausdehnt.

Mag. Sabine Stegmüller-Lang, Lehrerin an einer BHS, Beraterin am Zentrum für PädagogInnen, Dipl.-Achtsamkeitstrainerin